DAN LANDER

"Es war einmal, da es war." - Miguel de Cervantes Saavedra, Don Quixote

Dan Landers Welten arbeiten sich nicht aus dem Nichts heraus. Sie
entstammen nicht dem Dickicht eines weit entlegenen Dschungels oder dem
Flügelschlag eines Albatros'. Nein, Herr Landers Blick wandert nicht in die
Weite, seine Erinnerung regiert.
Aus dieser indirekten Nähe selektiert Herr Lander und dringt mit seinen
sich relativierenden, widersprechenden oder ergänzenden Fragmenten in eine
innere Tiefe vor, die eine naive Neugierde an direktem Kontakt, an direktem
Erleben und Wiedererleben enthüllt. Durch zuweilen kaum merkliche, irreale
Modulationen seines persönlichen akustischen Realismus gelangen die
subjektiven Erinnerungen zu seinen Hörern, versetzen uns in einen neuen
Raum und hinterlassen in uns eine ungreifbare Sehnsucht nach tiefer
bedachter Freundschaft.
Doch lediglich Geister sprechen leicht hörbar. Mein Schrecken dämpfte meine
Aufnahmefähigkeit. Einer unter ihnen mag gesagt haben: Beklag mich nicht,
doch leih dein ernst Gehör dem, was ich kund tun will. Keine Bedrohung
spürend antwortete ich gemäß meiner Vorlage: Sprich! mir ist's Pflicht zu
hören.


"Sound ist kein Objekt. Sounds können auf Objekte verweisen, Sound braucht
Objekte, um gehört werden zu können. Aber Teil meiner Hingabe an Sound
liegt darin begründet, daß er geisterhaft ist, er ist kein Objekt. Es gibt
ein gewisses Mysterium in Sound, ebenso in der Sprache und in anderen
Feldern menschlicher Aktivität, die keine Objekte mit sich bringen. Also
liegt das wahre Problem im Meiden der Tatsache oder in der Annahme, daß
Radio nicht geisterhaft ist."

Q6. When you look up from your computer what do you see?
A6: In the literal sense I see a large table full of orchids, growing under
a large light.  In the conceptual sense, I don't see a thing for at this
moment I have my eyes closed and I am thinking about another time, another
place and how I might get there.

"Heutzutage nutzen wir im allgemeinen, was oft als digitale, nicht-lineare
Technologie beschrieben wird. Das meiste, was damit erschaffen wird, ist
ziemlich linear. Was mir aber fremd vorkommt, ist, daß eine Konversation,
die andere Art Informationsaustauschs, fast nie linear verläuft. Was den
Inhalt betrifft, spiegeln Radio, TV, Zeitungen etc. eine fundamentale
westliche Bedingung wider. Wir finden es schwer über das Wichtigste zu
sprechen: Tod, Sex, Lust, Verlangen, Widersprüche, Komplikationen und so
weiter. Hier kommt der Künstler ins Spiel."

 "Ich nutze den Terminus 'Radio', um über konstruierten (komponierten)
Sound zu sprechen, der einer Zuhörerschaft präsentiert wird. Es können
traditionelles Radio, Musique Concrète, virtuelle Soundarbeiten, natürlich
vorkommende Soundphänomene, jegliche Form befangener Information, die sich
vor ihren Hörern im Sound versteckt, selbst wenn es Bilder dazu gibt."

If we take an inquisitive look at the aesthetical conceptions during the
last two centuries, it is striking that they are based on the ontology of
the image, upon a static world-picture, that inadvertently ignores, makes
impossible, the essence of media art; its dynamics, immateriality and time
related form. - Peter Weibel

"Möglichkeiten entstehen nicht aus dem Medium heraus, sondern durch die
Künstler, Lehrer, Komponisten, Nachrichtenerzeuger, Politiker etc., die die
Medien nutzen. In diesem Sinne, glaube ich, stimmen viele überein, daß es
eine sehr eingeengte Meinung über die Art gibt, wie Information (natürlich
ist eines der Probleme, daß vieles, von dem, was wir hören und sehen,
Information und nicht Kommunikation an sich ist) versteckt wird, abgesehen
von den Details ihrer technischen Reise. Ich bin nicht gerade ein großer
Fan technologischer Entwicklungen und des Gedankens, daß sie immer weiter
entwickelt werden. Traditionelle Techniken werden auf neue Medienformate
übertragen, aber obwohl ein Informationsträger neu aussehen, neu klingen
und sich neu anfühlen mag, haben sich diejenigen, die erzählen, überhaupt
nicht verändert. Anders gesagt, haben die technologischen Entwicklungen
einen tiefgehenden Effekt auf unsere Mittel der Produktion und unserer
Wahrnehmung. Die noch zu beantwortende Frage ist die nach der Wirkung auf
die menschliche Einbildungskraft."

"Phonographie (d.h. aufgezeichneter Sound, Radio etc.) könnte, kann und
repräsentiert in der Tat alles, was der menschliche Geist fähig ist zu
erträumen. Ich sehe Phonographie gerne als eine Art Literatur an, in dem
Sinne, als daß sie vom Hörer (Leser) verlangt, viele der Details, die der
Sound nur andeuten kann, selbst zu konstruieren."

"Das Problem eines theoretischen Mangels kommt daher, daß schon sehr früh
in der Entwicklung der Soundaufzeichnung, und später im Radio, die Aufgabe
des Mediums darauf beschränkt wurde, Musik zu verteilen. Das ist an sich
kein Problem, nur wurden nie andere Formen, Meinungen und Theorien
entwickelt. Wenn man sich auf aufgezeichneten Sound bezieht, denken die
meisten Menschen an zeitlich vorher aufgezeichnete Musik. Dasselbe könnte
man vom Radio sagen. Und nun, im Multimedia-Zeitalter, entwickelt und
konsumiert man eine ganz neue Sparte Musik, die aufkommt, ohne daß Nutzen
aus einer entwickelten Theorie von Sound gezogen werden kann, wie man sie
zum Beispiel in der Malerei oder im Film findet. In der Tat nutzt ein
Großteil der Film- und Videokunst, die wir sehen, Sound einfach nur im
wörtlichen Sinn, das heißt, die einzige Aufgabe von Sound ist hier, dem
Betrachter etwas mitzuteilen, was er sowieso schon weiß. Außerdem steckt
eine Industrie dahinter, die die Funktionen von aufgezeichnetem Sound und
Radio bestimmt. Wir können nicht die gleichen Entwicklungen aufweisen, die
man in der visuellen Kunst findet."

"Viele Menschen haben nicht die Geduld einer Art of Sound zuzuhören. Sie
wollen Musik hören und sie wollen Bilder sehen."

"it's quiet now - sex"

"Unter Phonographie verstehe ich den technologischen und künstlerischen Akt
des aufgezeichneten Sounds, ohne die entsprechende historische  Aneignung
solcher Technologien durch die Musikindustrie. Diese Termini sollen eine
Absicht außerhalb der Musik bezeichnen, obwohl Musik eine Komponente des
Stückes sein kann. Das Referentielle des aufgenommenen Sounds (oder von
Sound im allgemeinen) verweist auf die kulturellen und gesellschaftlichen
Bedeutungen, die diesen Sounds innewohnen. Diese Bedeutungen sind nicht
fixiert und variieren von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Kultur zu
Kultur und von Individuum zu Individuum."

"Woran ich kein Interesse habe sind Tonhöhe, Timbre, Melodie etc.,
zumindest nicht um ihrer selbst willen. Ich bin im Gegenteil von den
reichen Inhalten der Sounds fasziniert, egal ob sie gesprochen oder
gegrunzt werden, ob es sich um Fabriken, Vögel oder Autos handelt. Ich bin
von der Komplexität ihrer Bedeutungen und nicht von der relativen
Leichtigkeit fasziniert, mit der man sie in musikalische Motive verwandeln
kann."

"In meinen Arbeiten gibt es kein Skript und auch keine Protagonisten. Die
Form und der Inhalt wird durch das, was sich in den Aufnahmen befindet,
bestimmt. Ich nenne diese Arbeitsmethode writing with Sound. Entgegen der
Sterilität moderner Medienformate will ich Werke schaffen, die unsere
Erwartungen einer linearen Erzählweise, eines auktorialen Erzählers, der
Sendequalität und darüber, was und was nicht als geeignetes Thema
aufgezeichneten Sounds und Radioübertragungen gelten kann. Ein weiterer zu
beachtender Aspekt ist die Debatte um live bzw. vorproduzierte Radiokunst.
Obgleich sich live Radioarbeiten in ihrem Entstehungsprozeß von
vorgefertigtem Radiosendungen unterscheiden, ist das Ergebnis in beiden
Fällen ziemlich 'tot'. Die entkörperte Natur übertragener Information
kompensiert jegliche Unterscheidungen zwischen dem was im Ausgangsmaterial
präsent und was nicht präsent ist."

"Sound ist der einzige Informationsträger in meiner Arbeit. Sound ist kein
Objekt und kann weder physisch erfaßt noch kann damit gehandelt oder
verkauft werden. Sound ist ephemer und fühlbar zugleich. Sound ist
Information für unser Hirn, der über den Kanal unserer Ohren aufgenommen
wird."

"Mir scheint, daß die menschliche Existenz von technologischen Vermittlern
abhängt und somit halte ich Diskussionen um high- und low-tech für wenig
nutzvoll."

"Ich widersetze mich der Sterilisation und Isolation von Soundinformationen
mittels eines Studios, das ich als Ort der musikalischen Produktion ansehe.
Ich ziehe zum Beispiel vor, menschliche Stimmen in ihrer Umgebung so
aufzuzeichnen, daß in meinen Arbeiten die Sounds des Umfeldes miteinander
konkurrieren."

"Wilde und mechanische Sounds stehen nebeneinander, die menschliche Stimme
spricht in Übereinstimmung mit den Tieren, Affen plappern zum Zuschlagen
einer Autotür. Durch diese Annäherung akustischer Information will ich beim
Hörer ein Staunen über die Schönheit dieser gesetzeslosen Region erzielen,
während ich auf eine menschliche Situation verweise, die Ordnung,
Einschränkung und Kontrolle verlangt."

"Betrachten wir Radio als Kunst (und das betrifft jede Kommunikation
mittels elktronischer Medien), sind wir dahin gekommen, ein höheres Maß an
Kontrolle und Zensur zu akzeptieren als wir das in Hinblick auf andere
Formen künstlerischen und kulturellen Ausdrucks sind, wie z.B. der Malerei
und der Literatur. Gemäß den verschiedenen Beschränkungen des Mediums
(Sendequalität, ausbalanciertes Programmieren, angemessene Wirkung,
aufgezwungene vorprogrammierte Voraussetzungen, Marktforschung,
Zugangseinschränkungen, gleichförmige Zeitzuweisungen, technische
Spezifikationen, Lizenzregulationen etc.) gibt es wenig Platz für die
komplexen und persönlichen Ausdrucksformen, die wir in unseren alltäglichen
kulturellen und gesellschaftlichen Erledigungen erfahren. Diese
zweifelhaften Restriktionen unterscheiden Radiokunst von dem, was wir für
gewöhnlich als eine Form autonomer Kunstproduktion ansehen und setzen den
Radiokünstler in eine quasi-industrielle Beziehung zum Medium. Es bleibt
viel zu tun."

"Andere Faktoren haben zur Unterentwicklung einer Radiokunst beigetragen.
Diese schließt die Auferlegung eines entliehenen Diskurses über Musik ein,
der sich auf alle Soundphänomene anwenden läßt, der jegliche
gesellschaftliche und/oder kulturelle Referentialität abstreift und dadurch
eine Situation erschafft, in der das Hörbare allgemein als Musik aufgefaßt
wird. So als ob der Ursprung, Kontext und Phänomenologie jedes Sounds oder
Noise' nur an seiner Fähigkeit, die westliche Kunst aufzupolieren, gemessen
werden kann. Was benötigt wird, ist ein konsistenter Rahmen von Forschung
und Praxis, der sich auf den Sound am Punkt seiner Signifikanz
konzentriert; es geht nicht um eine literarische Handhabung, die in
Klichees zusammenstürzt, sondern um eine Empfindlichkeit für die
Möglichkeiten, in denen Bedeutungen der Sounds zirkulieren, verschwinden
und wieder auftauchen. Die Entwicklung einer autonomen Theorie und Praxis,
bezogen auf akustische Referentialität - insbesondere auf ihren Bezug zum
Radio und elektronischer Medien - wird viel zum besseren Verständnis der
Rolle von Sound bei der Artikulation unserer gesellschaftlichen und
kulturellen Ideen beitragen."

“Das Abstreifen von Bedeutung der Geräusche [noises] unserer Welt begründet
eine Verweigerung - die Fetischisierung des Ohrs unter Vernachlässigung des
Gehirns - uns in einen Dialog mit der Vielfalt von Bedeutungen zu begeben,
die von den Sounds, die wir selbst produzieren, recyclen und hören,
übermittelt werden. Wenn eine kritische Theorie um Sound Noise entstehen
soll, muß der Drang, jeden Sound der Musik zugehörig zu schreiben,
unterdrückt werden. Noise - die Stimme deiner Liebhaberin, eine
Fabriketage, die Fernsehnachrichten - ist voller Bedeutung und Inhalt, die
sich jeweils von der Bedeutung und vom Inhalt eines musikalischen Ausdrucks
unterscheiden. Eben dieser Inhalt bringt alle Möglichkeiten für eine Art of
Sound."

"Radio, wie wir es kennengelernt haben, - "Verstell den Sender nicht!" -
genügt sich bereits selbst."

"Wenn es zu einer Befreiung von Sound kommt, bedeutet das Konfrontation mit
der Bedeutung des Noise', den wir produzieren, die Herausforderung seiner
Reproduktion und Übertragung durch eine aktive Untersuchung
Soundarchivierender Technologien."

"Als Medium ist das Radio unterentwickelt, da es sich weigert, die
inhärenten, selbstauferlegten Einschränkungen anzuerkennen. Ähnlich dem
Fernsehen ist das Radio eine träge Technologie und bis uns nicht unser
Radio abhanden kommt, werden wir nie dahin kommen, seine Erfüllung als
Vehikel für den Ausdruck und die Differenzen einer Kultur wahrzunehmen.
Wenn es dem Radio gelänge, Plattform für eine Idee, eines Experiments oder
des Zufalls zu werden, könnten die zahlreichen Möglichkeiten, die das
Medium womöglich bereithalten, Früchte tragen."


Interview: Erik Benndorf





Auswahldiskographie:

Habitation 10" hrönir, 1999
Zoo CD empreintes DIGITALes, 1995
Radius  #3 CD What Next Recordings, 1995
Ding Dong Deluxe CD Ohm/AVATAR, 1994
Sound Ecology CD Musicworks #55, 1993
Radiophonics and Other -Phonies CD Musicworks #53, 1992.
Electro Clips CD empreintes DIGITALes, 1990



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